Montys Geschichte
Nie wieder wollten wir eine Katze haben nach dem plötzlichen Tod unseres heißgeliebten Katers Tiger!
Drei Wochen später zog Susi bei uns ein, eine sieben Monate alte Katze, die beinahe im Tierheim gelandet wäre. Diese kleine, süße Zicke entpuppte sich als wahre Zerstörerin. Sie kratzte an sämtlichen Tapeten, zerrupfte eine Ledergarnitur, und vor allem fiel sie uns ständig an. Sie biss in alles, was sich bewegte, am liebsten in nackte Füße und aus dem Hinterhalt. Wahrscheinlich fehlte ihr ein Spielgefährte.
So entschlossen wir uns nach einem Jahr, ihr und uns einen kleinen Freund zu schenken, mit dem sie dann ausgiebig rangeln dürfte. Am zweiten Weihnachtstag 1997 zog der drei Monate alte BKH-Kater Monty bei uns ein. Kaum aus der Box gelassen, wanderte er fröhlich auf Susi zu. Er kannte Gesellschaft, immerhin hatte er sieben Geschwister. Susi empfing ihn knurrend und fauchend, voller Angst. Der Kleine versuchte immer wieder Kontakt mit ihr aufzunehmen, leider zunächst vergeblich. Nach einigen Tagen fingen die beiden an sich zu jagen. Er hinter ihr her und sie hinter ihm her. Es schien besser zu werden, obwohl wir die beiden noch nicht alleine ließen. Die „Kämpfe“ sahen einfach zu gefährlich aus. Monty war und ist eine Seele von Kater, gutmütig, geduldig, ausgeglichen, ein Traumtier!
Vier Wochen nach Montys Einzug rief mich eine alte Nachbarin wegen ihres schwerkranken Mannes um Hilfe. Ich war hin und her gerissen, habe dann aber doch meine Tiere alleine gelassen um der alten Frau beizustehen. Nach dreißig Minuten war ich zurück. Das Wohnzimmer sah ziemlich verwüstet aus, Herr und Frau Mieze hatten wohl ein paar heftige Spielchen hinter sich. Monty schaute mich an mit seinen großen, runden Augen, und da sah ich es:
Ein winziges, rotes Pünktchen in Montys rechtem Auge, kein Blinzeln, keine Tränen, nur eben dieser kleine „Blutstropfen“. In Panik rief ich unseren Tierarzt an. Freitag Mittag, er war nicht mehr da! Man empfahl mir eine große Tierklinik in einer Nachbarstadt, der Chef der Klinik sei auf Augenkrankheiten spezialisiert.
Ich packte den kleinen Monty ein und fuhr los. Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er im Warteraum mit kessem Blick alles anfauchte, was fünf Zentimeter größer war als er selbst. Das Auge wurde eingefärbt, man stellte eine Hornhautverletzung fest, die genäht werden musste. Ich zögerte, doch man drohte mit dem Verlust des Auges. Schweren Herzens ließ ich den kleinen Kater zurück.
Kaum wieder zu Hause rief ich in der Klinik an um mich nach Montys Befinden zu erkundigen. Die OP war erfolgreich verlaufen, Monty noch in Narkose. Man riet mir, ihn nicht wie sonst üblich um 17.00 Uhr abzuholen, sondern erst ab 19.00 Uhr. Schon da hätte ich stutzig werden sollen!
Um 19.00 Uhr brachte man mir ein Tier, das mit meinem keine Ähnlichkeit mehr hatte. Monty schlief immer noch tief und fest, er trug einen Kragen, hatte erbrochen und das Schlimmste: Man hatte ihm die Nickhaut über das verletzte Auge gezogen und festgenäht. Die eigentliche Hornhautnaht war also unsichtbar, stattdessen sah der Kleine aus, als fehle ihm ein Auge. Er war in einem sehr schlechten Zustand. Auf meine Frage, warum er noch nicht aufgewacht sei, packte der Pfleger ihn am Nackenfell, zog ihn aus der Transportbox und meinte, das könne schon mal vorkommen. Monty baumelte in der Luft wie eine Stoffpuppe und knurrte leise! Wir bekamen vier verschiedene Salben, ein Antibiotikum und die Anweisung, in vierzehn Tagen zum Fädenziehen zu kommen.
Von der Heimfahrt hat Monty nichts bemerkt. Ich habe ihn in unser Schlafzimmer gebettet, dort lag er reglos bis zum nächsten Morgen. Alles Streicheln und Zureden half nicht, er wachte nicht auf. Immer noch war man in der Tierklinik der Meinung, dass manche Katzen eben länger brauchen! Gegen Mittag verfiel der kleine Kater so schnell, dass wir zu unserem „Haustierarzt“ fuhren. Der hatte wenig Hoffnung als er das armselige Bündelchen sah. Monty bekam Infusionen, Schmerzmittel, Kreislaufmittel, es wurde einfach alles versucht, leider zunächst ohne Erfolg. Monty fiel bei dem Versuch ihn auf die Beinchen zu stellen immer wieder in sich zusammen und wachte nicht auf. Stundenlang lag er auf dem Oberkörper meiner Tochter, mehr tot als lebendig.
Nach einer weiteren, schlimmen Nacht, in der er immer noch keine Regung zeigte, folgten am Sonntag weitere Infusionen, nach denen Monty seit Freitag zum ersten Mal wieder Urin absetzen konnte, allerdings immer noch im Schlaf. Und dann das Wunder: Sonntag Nachmittag erwachte Monty! Er war ansprechbar, versuchte aufzustehen, hatte aber nicht die Kraft dazu, und er leckte ein paar Tröpfchen Katzenmilch von meinem Finger. Sein Narkosenachschlaf hat genau 50 Stunden gedauert! Er war so schwach und hilflos. Stunden später machte er seine ersten Gehversuche. Überall stieß er mit seinem Kragen an, er lief an seinem Futternapf vorbei und erkannte nicht seine geliebten Gartenvögel, die ich ihm am offenen Fenster zeigen wollte.
Am Montag kam mir ein schrecklicher Verdacht: Monty schien blind zu sein! Der Tierarzt machte wenige Tests und schickte uns sofort zu einem Augenspezialisten nach Ahlen. Dort wurde seine Erblindung bestätigt. Eine Welt brach zusammen, der kleine Schatz war doch erst vier Monate alt! Seine Augen waren völlig gesund, aber sein Gehirn hatte wohl durch die misslungene Narkose Schaden genommen und das Sehzentrum war zerstört!
Zehn Tage später fuhren wir wieder nach Ahlen um die Fäden am Auge ziehen zu lassen. Zwischenzeitlich hat Monty noch allerlei Schlimmes erleben müssen. So ist die vorgezogene Nickhaut eingerissen, er bekam heftige Bauchkrämpfe vom Antibiotikum und fraß kaum. Er konnte nicht mehr gähnen, sein Mäulchen war wie zugesperrt. Dieses hat Marc, ein niederländischer Krankengymnast, mit einigen osteopathischen Handgriffen wieder herrichten können. Viele Leute rieten uns den Kleinen einschläfern zu lassen. Ja, auch meine Familie und ich haben damals daran gedacht. Er sollte sich nicht quälen, und er war doch viel zu jung um sein ganzes weiteres Leben blind verbringen zu müssen. Zunächst wollten wir aber seine Entwicklung abwarten.
Vor der zweiten Narkose zum Fädenziehen wurde Montys Blut untersucht. Oh Schreck, auch hier stimmte einiges nicht. Die Nieren schienen nicht in Ordnung zu sein. Der Tierarzt in Ahlen machte Ultraschallaufnahmen, und der Verdacht bestätigte sich. Auch Montys Nieren waren geschädigt, man gab ihm eine Lebenserwartung von drei bis vier Jahren!
Montys Auge heilte sehr schön ab. Es war bewundernswert, wie sich der kleine, blinde Kerl in seiner Umgebung zurecht fand. Er nahm ohne zu zögern sein Nierendiätfutter an und schien rundum zufrieden zu sein. Auch seine Menschen gewöhnten sich langsam an seinen Zustand, so dass von Einschläfern keine Rede mehr sein konnte. Er spazierte fünfundvierzig Stufen im Haus hinauf und herunter, spielte, wuchs und gedieh. Er war so stabil, daß ich ihm einen Besuch in der Universitätstierklinik Utrecht zumuten konnte. Ich wollte mich nicht damit abfinden, daß er blind UND nierenkrank war und suchte dort um weitere Hilfe.
Ich habe selten freundlichere Tierärzte gesehen als dort in den Niederlanden. Monty wurde von einem Nierenspezialisten und einem Augenfacharzt äußerst gründlich untersucht. Aus der Halsschlagader nahm man ihm Blut ab, seine Nieren wurden im Ultraschall angesehen, die Blase wurde punktiert, alles ohne Narkose. Es hört sich grausam an, aber der kleine Kerl hat keinen Schaden genommen. Alles lief in völliger Ruhe ab. Immer wieder wurde das kleine Katerchen geherzt und geküßt, von einem studentischen Arm auf den anderen gereicht. Auch der Augenarzt hat alles untersucht, was möglich war, tausend Fragen gestellt. Und wieder diese Ruhe und Gelassenheit, die Monty alles ertragen ließen.
Der Tag in Utrecht brachte folgende Ergebnisse: Monty war blind, und daran war leider nichts mehr zu ändern. Mit den Nieren sah es etwas anders aus. In ihnen befindet sich eine weiße Schicht, die nicht dorthin gehört. Da die Blutwerte aber relativ normal waren, war man hier in Bezug auf Montys Lebenserwartung viel zuversichtlicher. Er musste nun auch keine Nierendiät mehr fressen. Auf dem Heimweg lag Monty neben mir auf seinem Lammfell, tretelnd und schnurrend!
Uns allen ging es nun immer besser. Monty kam zurecht in seiner Welt, Fremde merkten ihm seine Blindheit nicht an. Alles hätte so bleiben können, alles schien so weit in Ordnung.
Oder nicht? Einige Wochen später erlitt Monty im Keller unseres Hauses einen Schock. Niemand weiß, was passiert war. Er sprang plötzlich herum wie ein Gummiball, war kaum einzufangen oder zu beruhigen. Nach etwa einer Stunde hatte ich ihn auf mein Kopfkissen „gezwungen“, dort lag er hechelnd und mit weit aufgerissenen Augen bis zum nächsten Morgen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden wir alle ihm gut zugeredet und ihn gestreichelt haben. Er stand nicht auf, er schlief nicht ein, er schloß die Augen nicht, er wollte nicht fressen. Alle dachten, seine letzte Stunde habe geschlagen. Morgens um acht Uhr rief ich unseren Tierarzt an. Er meinte, das sei ein Schock und man könne nichts machen außer abwarten!
Monty war uns zu lieb um nur abzuwarten. Er brauchte Hilfe. Mein Mann rief die Tierärztekammer an um nach einem naturheilkundlich orientierten Arzt zu fragen. Wir bekamen eine Adresse in Neuss, fünfundvierzig Autominuten von uns entfernt. Zum Glück durften wir sofort kommen. Im Auto habe ich gebetet, daß Monty die Fahrt überlebt!
Dr. Schabel, ein ebenfalls sehr freundlicher und kompetenter Tierarzt, hat uns gleich zu sich gebeten und Monty untersucht. Er bestätigte die Schockdiagnose und gab ihm mehrere Spritzen mit homöopathischen Mitteln. Als er von Montys Erblindung erfuhr meinte er, es sei schade, dass er uns erst jetzt kennenlerne, für eine Behandlung könne es schon zu spät sein. Mit unserem Einverständnis wollte er jedoch versuchen, Montys geschädigtes Sehzentrum zu therapieren. Er zeigte mir, wie ich dem kleinen Kerl Spritzen geben muss, täglich eine über vierzehn Tage lang. Außerdem bekam Monty verschiedene homöopathische Medikamente.
Auf dem Heimweg schloss Monty zum ersten Mal nach fast zwanzig Stunden die Augen und schlief tief ein, so tief, dass ich nachsah, ob sich sein Brustkorb beim Atmen noch bewegte. Er schlief den ganzen Nachmittag, die ganze Nacht und erwachte am nächsten Morgen fröhlich und hungrig. Ängstlich war er noch, unbekannte Geräusche ließen ihn zusammenfahren, aber er lebte!
Er bekam regelmäßig seine Medikamente und die Spritzen, die mir hundertmal mehr wehtaten als ihm. Einen Tag nach dem Besuch bei Dr. Schabel lag er in seinem Lieblingssessel und starrte in den Himmel. Er war ganz angespannt, kniff hin und wieder die Augen zusammen, bewegte den Kopf, als wenn er etwas sehen könnte. Ich schaute hinaus und sah ein Vogelpärchen, das am Himmel herumturtelte. Monty stellte sich nun auf seine Beinchen, immer noch den Blick zum Himmel gerichtet. Er sah doch nicht etwa die Vögel? Nein, Mama, du spinnst, hieß es von meinen Töchtern. War es wirklich so? Ich ging hinaus auf den Balkon, ließ die Tür hinter mir fest verschließen und wedelte mit der Hand hinter der Fensterscheibe. Monty sah die Hand! Er verfolgte sie nach rechts, dann nach links. Er konnte sie weder hören noch riechen. Er sah! Das war ein Wunder!
Mit jedem Tag wurde Monty munterer, nahm wieder voll Freude an unserem Leben teil. Sein Sehvermögen kehrte zurück, allerdings sieht er nicht so gut wie eine „normalsichtige“ Katze. Manchmal scheint es als bräuchte er für kürzere Entfernungen eine Lesebrille.
Mit siebzehn Monaten wurde Monty kastriert. Vor der Narkose wurde ein kleines Blutbild angefertigt, es war in Ordnung! Die Nieren schienen noch zu funktionieren. Die Kastration bei Dr. Schabel hat Monty sehr gut überstanden.
Monty hat sich mit Susi arrangiert, die beiden verstehen sich recht gut. Er ist ein so liebenswertes Tier, wie man es sicher so schnell nicht wieder findet. Immer zufrieden, immer freundlich und gut gelaunt, er kratzt und beißt nie, kurzum: Es gibt über ihn nichts Negatives zu berichten. Ein wenig ängstlich ist er noch, aber nicht mehr panisch. Er hat in seinem Leben so viel Schlimmes erdulden müssen und trotzdem das Vertrauen in uns Menschen nicht verloren.
Am 5. Oktober 2007 wurde Monty zehn Jahre alt, ein Wunder! Ein paar Monate später stellte man eine noch leichte Nierenfunktionsstörung fest. Wir hoffen dennoch sehr, dass Monty noch viele Jahre bei uns bleibt.
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Nachtrag vom 15. August 2015
Vor wenigen Tagen las ich bei Facebook den Hinweis eines Ulmer Tierarztes, der mir netterweise erlaubte, seinen Text hier einzustellen. Hätte man vor Jahren schon gewusst, wie gefährlich diese zu starke Maulspreizung bei Katzen ist, dann wäre Monty wahrscheinlich einiges erspart geblieben. So kann ich jetzt nur hoffen, dass möglich viele Tierärzte und Patientenbesitzer von dieser neuen Erkenntnis der Cornell University erfahren und diese Erfahrung auch umsetzen.
©Kleintierpraxis Ralph Rückert
Normalerweise sind unsere Postings hier für unsere Kunden gedacht. Wenn sie zusätzliche Beachtung anderswo finden, ist das umso schöner. Jetzt mal andersrum: Dieses Thema muss unsere Kunden nicht kratzen, richtet sich also an alle unsere anderen Leser, die Katzen halten.
Nach einer Meldung der Zeitschrift VETimpulse kommt es immer mal wieder vor, dass Katzen nach Eingriffen in Narkose plötzlich blind sind. Bei näheren Nachforschungen durch Anästhesiologen und Radiologen der Cornell University stellte sich heraus, dass dafür offensichtlich eine zu starke Maulspreizung während der Narkose verantwortlich ist, weil es dadurch zu einer starken Einengung der Arteria maxillaris kommen kann. Dieses Blutgefäß ist bei der Katze die Haupt-Blutversorgung der Netzhaut und des Gehirns. Den schlimmsten Effekt hatte das federbewehrte Maulspreizer-Modell, das Sie unten auf dem Bild sehen, weil es das Kiefergelenk unter Dauerspannung hält. Nun mag nicht jede Kollegin bzw. jeder Kollege diese interessante Meldung gelesen haben, weshalb es eventuell sinnvoll sein könnte, anlässlich eines geplanten Eingriffes in Narkose auch mal die Methode zu erläutern, mit der das Maul der Katze offen gehalten werden soll.
Und warum muss das unsere Kunden nicht kratzen? Weil wir immer schon ausschließlich auf die jeweilige Katze individuell zugeschnittene 1-ml-Spritzen als Maulspreizer verwenden. Wir hatten auch noch nie eine nach der Narkose erblindete Katze. Eine wichtige Sache noch zum Schluss: Nach dem Artikel in VETimpulse und den Untersuchungen der Kollegin Jean Stiles kehrte bei 70 Prozent der erblindeten Katzen das Sehvermögen zurück.